GEBOREN:
Banja Luka, Bosnien, 1975


LEBT:
Jacksonville, FL

AUSBILDUNG:
MFA - Montclair School of the Arts an der MSU, Montclair, NJ, 2005.
BFA - Ringling Schule für Kunst und Design, Sarasota, FL, 2003.


AUSZEICHNUNGEN:
John-Simon-Guggenheim-Gedächtnisstipendium, 2013.
Stipendium der Pollock-Krasner-Stiftung, 2006.
Stipendium der Joan Mitchell Foundation, 2005.


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«Ich bin im Oberwallis immer noch ein Fremder. Aber einer, der langsam zu verstehen beginnt»



Der Künstler Amer Kobaslija will rund 30 Porträts von Menschen im Oberwallis malen. Betrachter werden aber viel mehr zu sehen bekommen, als nur Gesichter. Was der Künstler mit seinen Werken zeigen will.

Amer Kobaslija ist Gast im Künstleratelier des Kunstvereins Oberwallis in Brig-Glis. In den letzten Wochen besuchte der «Artist in Residence» verschiedene Oberwalliser Persönlichkeiten. Darunter waren Hoteliers, Musiker, Ethnologen, Kunstschaffende, Gastarbeiter, Asylbewerbende. Rund 30 Porträts will er für eine Ausstellung im August 2013 malen. Amer Kobaslija will mithilfe der Menschen, die im Oberwallis leben eine künstlerische Aussage zu diesem Landstrich machen.

Bei seinen Besuchen hat er Oberwalliserinnen und Oberwalliser mit seinem Smartphone fotografiert. Dabei entging ihm auch nicht, was in der Umgebung dieser Menschen zu sehen war. Von Zigarettenstummeln im Industriequartier, über den Abfalleimer unter dem Bürotisch bis hin zu Schneehaufen auf dem Parkplatz hielt er alles fest. Aus diesen Einzelteilen komponiert er dann Bilder, auf denen die Personen für mehr stehen, als für sich selbst. Er sucht nach den Informationen, die nötig sind, um das Bild plausibler, glaubwürdiger zu machen, so wie eine schwer fassbare Erzählung. Seine Referenzen sind Zeichnungen, Fotografien, Erinnerungen, direkte Beobachtungen.

Kobaslijas Gemälde sind so etwas wie Meditationen über Räume, Personen und Umgebungen. Er erstellt Gedankenlandschaften, in denen er mit grossem Respekt für Menschen und Orte Zustände erfasst, die aber auch seine eigene Gemütsverfassung widerspiegeln. Amer Kobaslija sagt: «Ich bin bei meiner Arbeit immer auch auf der Suche nach dem Sinn meiner eigenen Existenz.» Mit seiner Detailversessenheit fängt er mehr ein, als man auf den ersten Blick erfassen kann. Es lohnt sich bei seinen Gemälden genauer hinzusehen. Der Schriftsteller Tolstoi sagte einst: «Wenn du der Welt universelle Geschichten erzählen willst, erzähle über dein Dorf.» Amer Kobaslijas malt Dörfer, Quartiere, Arbeitsplätze, Menschen und macht dadurch universelle Aussagen.

Amer Kobaslijas ist in der Oberwalliser Kunstszene kein Unbekannter. Bereits 2016 weilte er sechs Monate als Artitst in Residence in Brig. «Meine TRIENNALE» lautete der Beitrag des Kunstvereins Oberwallis zur Triennale 2017. Ein Teil der Ausstellung in der Briger KVO-Galerie «zur Matze» wartete mit einer grossen Arbeit von Amer Kobaslija auf. Die grossformatige und wandfüllende Landschaftsmalerei, war mit «the fear of the unknown» («Die Furcht vor dem Unbekannten») betitelt. Als er das erste Mal in Brig gewesen sei, habe er noch nicht viel über Land und Leute gewusst, sagt Amer Kobaslijas. «Ich bin noch immer ein Fremder. Aber je mehr Zeit ich hier verbringe, umso mehr beginne ich zu verstehen.»

Amer Kobaslija wurde 1975 in Banja Luka, Bosnien, geboren. Mit dem Ausbruch des Bosnienkriegs 1993 floh er nach Deutschland, wo er kurzzeitig an der Kunstakademie in Düsseldorf studierte. Nachdem die Spannungen durch den Krieg nachgelassen hatten, wurde er mit seiner Familie wiedervereinigt und sie wanderten in die Vereinigten Staaten aus, wo sie sich 1997 in Florida niederliessen. «Ich bin immer dazwischen und nirgends ganz zuhause», sagt Amer Kobaslija. Aber sein Trauma sei durch die Kunst kanalisiert.

Einige seiner ersten Sujets waren leere Räume, oft Künstlerateliers oder düstere Toiletten, die er aus schwindelerregenden Blickwinkeln malte, wobei er scheinbar auf den Raum hinunterschaute, wie aus der Perspektive einer Überwachungskamera. Obwohl seine Ateliers immer leer stehen, sind ihre Innenräume unordentlich und offensichtlich bewohnt und wirken wie allegorische Porträts der Menschen, die sie bewohnen. Im Jahr 2010 wurde er eingeladen, das Atelier des Künstlers Balthus in Rossenièr im Kanton Waadt zu besuchen. Dort malte er eine Reihe Bilder, die sowohl das Atelier des Künstlers als auch die umliegende Landschaft zeigen. Nach dem Tsunami 2011 in Japan begann er eine umfangreiche Serie zur Dokumentation der Zerstörungen und reiste schliesslich mehrmals in das Land, um die Folgen zu sehen. In seinen Arbeiten geht es immer wieder um das «Gefühl des Ortes» und das Gefühl, in einer Umgebung zu sein oder eine Verbindung zu ihr zu haben. Auch die Schönheit ist ihm ein Anliegen, und eine besondere Qualität seiner Bilder ist die sinnliche Behandlung, die er ansonsten trostlosen Umgebungen zukommen lässt. In jüngster Zeit hat Kobaslija eine Reihe von Porträts als Teil eines umfangreichen Werks über den Bundesstaat Florida entwickelt. Er betrachtet den Staat als seine Wahlheimat, und diese Gemälde spiegeln seine Wertschätzung für seine Kultur und seine Menschen wider, gepaart mit seiner Besorgnis über die drohenden Auswirkungen des Klimawandels und der rapide voranschreitenden Zersiedelung der natürlichen Umgebung.

Kobaslija hat international ausgestellt und an mehreren Residenzen teilgenommen. Seine Werke befinden sich in bedeutenden öffentlichen Sammlungen wie dem de Saisset Museum, Santa Clara, dem Hunter Museum of American Art, Chattanooga, dem Staten Island Museum, New York, und der Botschaft von Bosnien und Herzegowina, Brüssel, Belgien.

Nathalie Benelli (Walliser Bote, 5. Januar 2022)